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Kinderkrippen in Zeiten von Corona


10.11.2020

Ein Interview mit Frau Friedrich, Leiterin einer Kita mit einer Krippengruppe in Rheinhessen.

Die Fragen stellte Karl-Heinz B. van Lier.


Frau Friedrich, hat es nach der Notbetreuung im Frühjahr dieses Jahres bei den Eltern oder auch bei den Kitas eine Veränderung in der Betreuung gegeben?

Zuerst gab es eine erweiterte Notbetreuung. Die Gruppen wurden komplett neu zusammengesetzt entsprechend des Bedarfs der Eltern. Aufgrund von Risikoerkrankungen sind Kolleginnen ausgefallen. Aber für die kleinen Gruppen hatten wir dann ausreichend Personal und das Personal, das nicht zum Einsatz in der KiTa kam, hat von zuhause die KiTa-Arbeit unterstützt.


Hat die Erfahrung mit der Notbetreuung, die ja mit einer Entschleunigung einherging, Auswirkungen gezeigt auf den normalen Krippenbetrieb?

Nein, wir haben an sich die gleichen Bedingungen in den Kitas wie in der Vor-Corona-Zeit.

Es wurde in der Presse, aber auch in Ministerien, immer wieder die Überforderung der Eltern und die Gefahr von Missbrauch und häuslicher Gewalt prognostiziert. Haben Sie bei den Eltern in der Corona-Zeit Anzeichen davon feststellen können?

Nein! Wir haben unsere Eltern sehr positiv erlebt. Wir haben auch versucht mit den Kindern in Kontakt zu bleiben in dieser besonderen Zeit. Wir haben mindestens einmal wöchentlich eine Mail an die Kinder geschickt auch mit Bastelvorschlägen und bekamen von den Eltern durchweg positive Rückmeldungen. Wir waren begeistert, wie toll die Eltern diese erste Zeit überbrückt haben. In den ersten vier Wochen hatten wir keine Kinder in der Notbetreuung. Die Eltern haben ihre Aufgaben alleine gestemmt. Danach stieg die Nachfrage nach Betreuung an. Es kamen dann vermehrt Eltern mit Einzelkindern, die wieder für ihre Kinder Kontakte in der Krippe suchten.

Wie wirkt sich Homeoffice der Eltern auf die Nutzung der Krippe aus?

Allenfalls in Einzelfällen holen Eltern ihre Kinder früher ab. Aber das betrifft eben nur Stunden und keine Tage, die sie nicht in die Krippen kommen.

Die derzeitige Tendenz der Betreuung läuft für immer mehr Kinder auf Ganztagsbetreuung hinaus. Können Sie sich vorstellen, dass man den Aufenthalt in Kitas auf den halben Tag beschränkt?

Dies ist bei den derzeitigen Verhältnissen bei den Eltern nicht angedacht. Unsere Krippenplätze sind alle Ganztagsplätze. In der KiTa sind von 75 Plätzen 44 Ganztagsplätze.

Wollen Sie damit bestätigen, dass es zukünftig mehr Ganztagsbetreuung geben wird als heute?

Aufgrund des neuen Kitagesetzes, welches Mitte nächsten Jahres in Kraft tritt, werden die Teilzeitplätze so umgewandelt, dass auch für diese Kinder ein Mittagessen angeboten wird. So hat jedes Kind die Möglichkeit, sieben Stunden am Stück Betreuung durch uns zu erhalten.

Gibt es bei Ihnen oder bei Ihren Kolleginnen eine Reaktion auf die Studie der Bertelsmann-Stiftung, die feststellt, dass Drei-Viertel aller Kitas aufgrund des Personalmangels defizitär arbeiten?

Meine Kolleginnen und ich sind uns einig darüber, dass die Bertelsmann-Stiftung den Nagel auf den Kopf getroffen hat. D.h. der Personalschlüssel ist zu niedrig. Stress ist ein alltägliches Phänomen Bei insgesamt 11,3, Stellen wären mindestens zwei weitere Stellen eine idealtypische Besetzung.

Sie stellen fest, dass die Eltern überraschend gut mit den schwierigeren Bedingungen unter Corona fertig geworden sind. Aber wie ist das bei Ihnen in der KiTa?

Aufgrund der verschärften Hygienevorschriften, besonders aber wegen des Mitarbeiterschutzes ist die Betreuung ungleich schwieriger geworden. Denn Abstand gibt es nicht! Wir tragen keine Maske in der pädagogischen Arbeit am Kind, nur beim Bringen und Abholen der Kinder. Wir wissen auch nicht, ob die Betreuung von Kindern nicht doch ein erhöhtes Gesundheitsrisiko darstellt.

Es bleiben mittlerweile mehr Kinder mit Erkältungssymptomen zuhause. Für die Landesbehörde ist ein Kita-/Krippenkind erst ab 38,5 Grad krank, und Schnupfen gilt nicht als Hindernis für die Betreuung. Da wäre es gut, wenn wir auf eine ärztliche Betreuung zurückgreifen könnten.

Ab dem Jahr 2021 müssen Kinder ab dem 2. Geburtstag in die Kita wechseln. Das bedeutet, dass sie aus den kleinen Krippengruppen von 4-5 Kinder pro Erzieherin in eine große altersgemischte Gruppe von 25 Kindern kommen. Das heißt: sie treffen auf Kinder im sechsten Lebensjahr und auf eine ungewohnt große, kaum überschaubare, meist sehr laute Gruppe. Sind da die Kleinkinder, die gerade eben zwei geworden sind, damit nicht überfordert?


Ja, das stimmt. Aber diese Situation ist nicht nur für die betroffenen Kinder sehr anstrengend, sondern auch für Kolleginnen. Deshalb versuchen wir möglichst viele Zweijährige noch in unserer Krippe zu betreuen. Ab dem zweiten Geburtstag ist dann die Kita beitragsfrei. Auf lange Sicht scheint die Krippe ein Auslaufmodell zu sein, auch weil die Kinder sobald sie zwei werden, aus der Krippe ausscheiden müssen. So sieht es das neue KiTa-Gesetz in RLP vor.



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